Krankenhausreform: Vorhaltefinanzierung zielführend ausgestalten

Gemeinsames Schreiben zur Krankenhausreform von AKG und AOK BV am 09.1.2024
Erstellt von:AKG Geschäftsstelle
Erstellt am:25.01.2024
Aktualisiert am:25.01.2024, 13:21

Sehr geehrter Herr Bundesminister Prof. Dr. Lauterbach,
sehr geehrte Frau Baehrens,
sehr geehrter Herr Dr. Dahmen,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Ullmann,

das Zielbild der Krankenhausreform zeichnet sich inzwischen immer klarer ab: Neben der Steigerung der Qualität der medizinischen Versorgung durch eine Konzentration der Leistungserbringung sollen ökonomische Fehlanreize reduziert und der Bürokratieabbau vorangetrieben werden. Diese Ziele tragen sowohl die Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser (AKG-Kliniken) als auch der AOK-Bundesverband mit.

Die Einführung der Vorhaltefinanzierung ist dabei das wesentliche Werkzeug zur Erreichung dieser Ziele. Im aktuellen Arbeitsstand des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG, 3. AE) ist für uns jedoch nicht ersichtlich, wie die dort skizzierte Umsetzung dazu beitragen kann.

Weder die Verteilung der Vorhaltefinanzierung noch die Auszahlung an die Krankenhäuser ist fallunabhängig gestaltet. Auf diese Weise wird die Finanzierung der Krankenhäuser unserer Einschätzung nach nicht zukunftssicher. Die vorgeschlagenen Regelungen werden stattdessen die Komplexität der Krankenhausfinanzierung weiter erhöhen, zu neuen Konflikten und zusätzlichen Unsicherheiten sowie zu mehr Bürokratie führen. Besonders risikoreich sind Ausgleichsverfahren für über- und unterzahlte Vorhaltebudgets, die bei fallbezogener Abfinanzierung zwangsläufig mit allen Krankenhäusern erfolgen müssten.

Bedauerlicherweise liegt der Fokus der politischen Diskussion derzeit nicht auf einer wirksamen Ausgestaltung der Vorhaltefinanzierung. Stattdessen wird um immer neue Ausnahmeregelungen bei den Qualitätskriterien gestritten. Ohne Frage sind zeitlich und quantitativ befristete und zu evaluierende Ausnahmeregelungen, deren Versorgungswirkungen zu evaluieren sind, besonders für den Start von Bedeutung. Hauptsächlich wird aber eine zielgerichtete fallunabhängige Umsetzung der Vorhaltefinanzierung den Erfolg der Reform bestimmen. Vor diesem Hintergrund setzen sich die AKG-Kliniken und der AOK-Bundesverband nachdrücklich für eine bedarfs- und aufwandsgerechte Ausgestaltung der Vorhaltefinanzierung ein.

Eine konsequente erlösunabhängige und bedarfs- wie aufwandsgerechte Vorhaltefinanzierung lässt sich umsetzen:

  1. Das InEK gliedert die Vorhaltekosten pauschal und leistungsgruppenbezogen aus den DRGs aus.
  2. Das Landesvorhaltebudget wird zu einem festen Termin im Vorjahr ermittelt.
  3. Das so berechnete Landesvorhaltebudget wird von den Kostenträgern in einen zentralen Vorhaltefonds eingezahlt. Hierbei kann eine sachgerechte Aufteilung zwischen den Kostenträgern berücksichtigt werden.
  4. Die initiale Verteilung der Vorhaltefinanzierung auf die Krankenhäuser auf Basis der vergangenen Inanspruchnahme ist grundsätzlich nachvollziehbar. Zukünftig müssen bedarfs- und aufwandsgerechte Planungsentscheidungen der Länder ausschlaggebend für die Höhe der Vorhaltefinanzierung der einzelnen Klinik sein. Im ersten Schritt könnte die Nutzung der vergangenen Inanspruchnahme bereits mit den Planungsentscheidungen verknüpft werden, indem die Länder den Krankenhäusern einen festgelegten Versorgungsanteil zuweisen und diese entsprechend anteilig am Vorhaltebudget des Bundeslandes beteiligt werden. Darüber hinaus ist auch eine Fallschwere-Adjustierung je Krankenhaus notwendig. Diese Adjustierung ließe sich im ersten Schritt leistungsgerecht sowie finanzneutral über den Case Mix Index (CMI) umsetzen.
  5. Direkt mit Umsetzung der Reform muss eine Beauftragung für die wissenschaftliche Entwicklung eines fallunabhängigen Bedarfsbemessungsinstruments erfolgen. Nur so kann erreicht werden, dass die Vorhaltebudgets künftig nicht anhand der Fallzahlen fortgeschrieben und die Reformziele konterkariert werden. Auch die Regierungskommission hatte sich in ihrer dritten Empfehlung für ein solches Instrument ausgesprochen.
  6. Die Krankenhäuser werden zu einem festen Termin im Vorjahr über das ihnen auf Basis der Versorgungsaufträge zustehende Vorhaltevolumen informiert und erhalten dieses von einer neutralen Auszahlstelle monatlich zugewiesen. Als Auszahlstellen kommen verschiedene Optionen in Betracht. Neben einer direkten Auszahlung durch die Länder, der Abwicklung über die für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden, der Auszahlung über den GKV-Spitzenverband könnte diese auch von einer im Bund oder den Ländern beauftragten anderen Auszahlstelle erfolgen.

Was mit einer erlösunabhängigen Vorhaltefinanzierung erreicht werden kann:

  1. Die Finanzierung der Vorhaltekosten wird zukunftssicher, da sie unabhängig von den erbrachten Fällen und damit von Auslastungsschwankungen erfolgt. Das erhöht die Liquiditäts- und Planungssicherheit für die Krankenhäuser, eröffnet neue Formen der Zusammenarbeit und erleichtert neue Versorgungskonzepte in den Regionen.
  2. Eine bedarfs- und aufwandsgerechte Vorhaltefinanzierung trägt so auch zur „Ent-Ökonomisierung“ bei.
  3. Nur eine sachgerechte Verknüpfung zur jeweils zu versorgenden Bevölkerung garantiert in Verbindung mit der Leistungsgruppen-Zuordnung eine Konzentration der Leistungen auf die Krankenhäuser, die sowohl die vom Land festgestellten strukturellen Voraussetzungen als auch die qualitativen Vorgaben erfüllen.
  4. Die Mengenanreize werden gedämpft. Gleichzeitig entsteht für Krankenhäuser ein Anreiz Leistungsgruppen zu tauschen um Skaleneffekte zu realisieren und in der Folge die Effizienz der eingesetzten Ressourcen zu erhöhen.
  5. Es sind keine Ausgleiche erforderlich. Damit kann ein Auseinanderfallen der Ausgliederungsbeträge auf der Bundes- und der Ortsebene vermieden werden; entsprechende „Bereinigungsdebatten“ entfallen. Beide Probleme sind von der Umsetzung des Pflegebudgets bekannt.

Sie stehen in der Verantwortung, in den Verhandlungen den Fokus auf Maßnahmen zu legen, die maßgeblich zur Erreichung der gesetzten Ziele der Krankenhausreform beitragen. Deshalb bitten wir Sie eindringlich, die Vorhaltefinanzierung bedarfs- und aufwandsgerecht statt fallabhängig auszugestalten.

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Carola Reimann                                    PD Dr. Thomas Menzel
Vorstandsvorsitzende                              Vorstandsvorsitzender
AOK-Bundesverband                               AKG-Kliniken e.V.